Michael Wachtler - Die Dolomiten
UNESCO-Weltnaturerbe Dolomiten
Die Dolomiten und damit die Drei Zinnen, der Haunold, der
Dürrenstein und viele markante Berggipfel der Sextner und
Pragser Dolomiten gehören zu den schönsten Landschaften der
Welt. Die UNESCO, und damit die Vereinten Nationen über ihre
Organisation für Bildung, Wissenschaft und Kultur haben ihre
landschaftlichen und geologischen Einzigartigkeiten bewertet und
nun auch offiziell bestätigt. Einzig 176 solcher Naturdenkmäler
gibt es augenblicklich weltweit, in Italien nur noch die
Äolischen Inseln, in Deutschland die berühmte
Fossilienfundstätte in der Grube Messel und das Wattenmeer.
Selbst in den gesamten Alpen wurden bisher erst zwei Gebiete mit
dieser Ehre bedacht: Die in der Schweiz gelegenen Jungfrau-Aletsch-Bietschhorn-Gletscher
und der Monte San Giorgio wegen seiner Relikte aus der Urzeit.
Weltweit gehören die Viktoria-Fälle, der Grand Canyon, die
Galapagos-Inseln und der Yellowstone-Park hinzu. Eine besondere
Auszeichnung wurde damit vergeben, noch mehr aber eine besondere
Verpflichtung jenen auferlegt, die in Zukunft dieses Welterbe
verwalten müssen.
Was aber hat die Kommission der UNESCO bewogen, die Dolomiten in das
Weltnaturerbe aufzunehmen? Sie zählen laut zusammenfassenden
Schlussbericht zu den „schönsten Gebirgslandschaften der Welt, mit
senkrechten Wänden, steilen Klippen und einer hohen Dichte von schmalen,
tiefen und langen Tälern.“ Dazu kommt noch ihre „Vielfalt von Türmen,
Zinnen und Felswänden.“ Besonders verdanken sie ihre Aufnahme ihrer
einzigartigen Entstehungsgeschichte. Jahrmillionen alte tropische
Korallenriffe enthalten eine Unzahl von versteinerten Zeugen der Urzeit.
Längst vergangene Vulkanausbrüche haben die Landschaft weitergeformt und
die Einwirkungen von Wind, Wasser und Naturgewalten haben bizarre Zacken
entstehen lassen, wie sie weltweit nirgendwo gefunden wurde. Dazu
genannt wird noch ihre Vielfalt an Pflanzen. Mehr als 2.400 verschiedene
Arten wurden gezählt. Einige davon kommen nur in den Dolomiten vor. Kurz
gesagt: Die Dolomiten sind aus geologischer, botanischer und
landschaftlicher Sicht einzigartig und mit keinem anderen Gebirge der
Welt zu vergleichen. Die Kommission erhob damit aber auch ihren
Zeigefinger: Ein Naturerbe muss auch für kommende Generationen als
solches erhalten bleiben.
Aus der Geschichte markante Aussagen berühmter Künstler über die
Dolomiten: Einer der berühmtesten Architekten, der Schweizer Le
Corbusier, sagte einmal über die Dolomiten, sie seien „die schönste
natürliche Architektur der Welt“.
Der große italienische Schriftsteller Dino Buzzati bezeichnete sie
als „Architektur mit Säulen, die sich Hunderte von Metern gegen den
Himmel erheben; Schluchten, die in Schweigen versinken. Nur die Wolken
ziehen vorbei. Die Mahler stehen unten mit ihren Staffeleien und Pinseln
und versuchen vergebens, dieses perfekte Werk einzufangen.“
Vom Missverständnis zum Weltnaturerbe
Kein Romanautor hätte die Geschichte der Dolomiten spannender
schreiben können, wie sie tatsächlich geschah. Es stimmt zwar, dass der
französische Adelige Deodat de Dolomieu im Jahr 1789 eigenartigerweise
in der Nähe des Brenners ein ihm unbekanntes Mineral fand. Es war aber
der Chemiker Horac Bénédict de Saussure, der zuerst den Namen
„Tirolites“ dafür vorschlug und dann auf Drängen Dolomieus
schlussendlich den Namen „Dolomit“ für dies unbenannte Gestein wählte.
Genauso wird immer wieder hingewiesen, dass die beiden englischen
Touristen Josiah Gilbert und George Cheetham Churchill mit ihrem 1864
erschienenen Buch „ The Dolomite Mountains“ den Begriff „Dolomiten“ zum
ersten Mal geprägt hätten. Die erste Beschreibung der „Dolomite
Mountains“ lieferte allerdings schon im Jahr 1837 ein unbekannt
bleibender Schreiber für John Murray´s Reisehandbücher. Gerade jenem
John Murray, der einige Jahre später 1859 als erster Charles Darwins
Hauptwerk „Die Entstehung der Arten“ herausgeben sollte. Kaum jemand
vorher und nachher hat je die Dolomiten wortgewaltiger und ergreifender
beschrieben als dieser Namenlose. „Sie bilden einen hervorstechenden
Unterschied zu allen anderen Bergen – mit ihrer grellen Blässe, ihrer
öden Unfruchtbarkeit, ihrer Steilheit, mit ihren unzählbaren Brüchen und
Klüften, welc he riesige Wände durchziehen, alle senkrecht abfallend,
und die scharfkantigen Gipfeln und zahnartigen Felsgraten, die viele
hunderte Meter in den Himmel hinaufsteigen und dort eine malerische
Abgrenzung bilden. Manchmal haben sie das Aussehen von Türmen und
Obelisken, untereinander geteilte tausend Fuß tiefe Abgründe. Anderswo
wiederum findet man sie so zahlreich und schmal, dass sie einem wie ein
Bündel Bajonette oder Schwertklingen vorkommen. Alle zusammen ergeben
sie einen Hauch von nobler Würde und Neuheit, die nur jene
nachvollziehen können, die sie einmal gesehen haben. „Zum ersten Mal
grenzt ein Schreibender diese Berge richtig ein: Die Dolomiten reichen
vom Fassatal über das Gröden und Gadertal ins Pustertal.“ Im
Hochpustertal findet er „unzugängliche Abgründe und phantastische
Spitzen über unerreichbaren Höhen“. Und so geht es in einem fort, bis
hin zu den „Alligatorzähnen“, mit denen er bestimmte Berge vergleicht.
Die knallroten Reisehandbücher von Murray, in denen zum ersten Mal
Sterne für die größten „Sehenswürdigkeiten“ vergeben werden,
faszinierten alsbald ein breites Publikum.
So war es nicht abwegig, dass auch ein Deutscher diesen neu sich
entwickelnden Markt beanspruchte: Karl Baedeker. 1855 erscheinen seine
ebenfalls roten Reiseführer, in denen er gleichfalls von den „Dolomitbergen“
berichtet: „Hohe weiße scharfkantige Felsen starren in den seltsamsten
Formen empor, oft Zacken, oft Glattwände, mehrere 100 m hoch, häufig
auch mit Schlackenbergen vergleichbar, meist weit in die Schnee-Region
sich erhebend.“ Auf der Fahrt durch Landro „blicken“ die hohen hell
schimmernden „drei Zinken“ hervor. Die Besteigung der Berge interessiert
noch nicht. Allerdings steht schon ein Jahrzehnt später , im Jahr 1869,
der erste bergsteigende Tourist, Paul Grohmann auf den Drei Zinnen, dem
Wahrzeichen der Dolomiten. Die Geschichte dieses Naturerbes wäre aber
noch nicht vollständig, hätten sich nicht just im gleichen Zeitraum die
Forscher geradezu auf dieses Gebirge gestürzt. Inspiriert vom großen
Charles Darwin erkannte im Jahr 1860 ein junger deutscher
Wissenschaftler, Freiherr Ferdinand von Richthofen, dass die Dolomiten
nichts anderes als ehemalige tropische Korallenriffe seien. Ein
eigenartiges Miteinander von Reiseschriftstellern, Forschern und
Bergsteigern wurde in den Folgejahren zu einem Wettrennen. Jeder wollte
seine Leistungen im Buch der Geschichte verewigt sehen. Und im Laufe der
nächsten Jahrzehnte stellte sich wirklich heraus, dass die Dolomiten
eine weltweit einzigartige Entstehungsgeschichte hatten: Gewaltige
Katastrophen, tropische Meere, Eiszeiten und Vulkanausbrüche, alles
wurde in den Gesteinsschichten dokumentiert. Und gerade dieses
geologische Tagebuch führte im Sommer 2009 dazu, dass die Kommission der
UNESCO die Dolomiten zum Weltnaturerbe der Menschheit erkoren hat.
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