Highlights
| Der größte Goldfund der Alpen
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Die vergessene Goldkarte
Gesetze des Glücks
Gold kann immer noch gefunden werden. Sehr viel sogar. Die folgenden
Geschichten erzählen von Goldfunden und wie sie geschahen. Welche
Gedanken die Entdecker entwickelten und warum gerade sie es finden
mussten.
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Gemeinsam wendeten und drehten wir ein dünnes Büchlein eines vollkommen
unbekannten Schweizer Mineralogen: „DIE GOLDPYRITGÄNGE VON BRUSSON IN
PIEMONT von Th. Reinhold.“ Gedruckt wurde es in Basel im Jahr 1916.
Vieles war für uns uninteressant. Von eingesprengtem Gold in
Millimetergröße stand geschrieben, 3 - 10 gr. pro Tonne, dazu
wissenschaftliche Erklärungen. Das mochte für industriellen Abbau
interessant sein, nicht aber für uns. Doch dann fielen unsere Augen auf
einige Buchseiten und nahmen unseren Geist und Gedanken gefangen. „Fenillaz-Speranza“.
Und weiter stand geschrieben:
„Das Gold findet sich fast ausschließlich als Freigold. Auf den ersten
Blick scheinen sich die Goldfundstellen im ganzen Gang unregelmäßig
fleckenartig zu verbreiten.“ Das fleckenartig auftretende Freigold
machte uns nachdenklich. Und mehr noch: „Es lassen sich aber doch in
gewissen Gangpartien an Freigold reichere Stellen herausfinden.“ Dann
wurde weiter erklärt wie der Wegweiser einer Schatzkarte. Nur war sie
von einem Wissenschaftler geschrieben worden und schon deshalb musste
sie - im Gegensatz zu den meisten anderen Karten –so waren wir
überzeugt, glaubwürdig sein.
„Die hier beschriebenen Goldanreicherungen können sehr beträchtlich sein
und in seltenen Fällen eine lokale Ausdehnung von mehreren Kubikmetern
besitzen. So fand man, ungefähr in der Mitte der Grube, am oberen Stoss
der Galerie Nr. 4, 185-187 m vom Mundloch entfernt, am 29. Mai 1908 in
462 kg Gangmasse, 40 kg Gold. Ein benachbartes Erznest von 244 kg
Gangmasse enthielt 28 kg Gold. Noch im Februar 1909 fand man mehr im
Liegenden zwischen Stollen 4 und 5 eine goldreiche Zone von 58 kg Quarz
mit 3 kg Freigold.“
40 und 28 kg reines Gold wurden an einer einzigen Stelle gefunden!
Genauer hätte man den Schatz nicht einzeichnen können. 185 – 187 Meter
vom Eingang entfernt. Und als ob das noch nicht ausreichte, hatte der
penible Schweizer in einer Karte jeden einzelnen der größeren Goldfunde
der Vergangenheit eingezeichnet. Sogar noch sein mineralogisches Wissen
eingebracht, „... dass die reichsten Goldfundstellen vorwiegend dort
gefunden wurden, wo der Gang die Glimmerschiefer in der Nähe des Kalkes
durchsetzt.“ Das Gold fand sich also dort wo die Quarzdrusen sich mit
dem Kalk verzahnten, nicht dort wo die reinen Kalke die Adern
durchsetzen. Wir brauchten nur zu beobachten.
„Die totale Ausbeute von Erz in den Jahren 1904 – 1909 beläuft sich auf
... 716,953 kg Gold.“
Allein schon diese Schatzkarte hätte ausgereicht, um unsere Neugierde zu
wecken, doch zudem besaßen wir noch etwas, was vor hundert Jahren
unbekannt war. Leistungsfähige Metalldetektoren, die punktgenau Gold
anzeigen konnten. Diese neuen technischen Geräte waren unbestechlich.
Sie verrieten das Gold, wenn man es auch nicht sah und es tief in der
Quarzader steckte.
„Gold findest du dort, wo du es suchst!“ meinte Georg Kandutsch, der
Mineraloge. Eine alte Weisheit. Man muss von Anfang wissen was man sucht
und wie man es suchen sollte. Im Oktober 2003 brachen wir auf und
staunten, dass nicht andere vor uns diese Schatzkarte zu deuten gewusst
hatten. Wie ängstliche Erforscher eines mit unbekannten Gefahren
drohenden Landes öffneten wir die verrosteten Tore der Fenillaz-Mine.
Im Jahr 1898 wurde in Genf die Schweizer Gesellschaft „Société des Mines
d‘Or de l‘Evançon“ gegründet. Unter anderem versprach diese gutgläubigen
Aktionären, dass sich am östlich von Brusson gelegenen Berges Ciamousira
in der Nähe des Weilers La Croix Gold haufenweise befände. Hier hatte
bisher noch niemand Stollen angeschlagen und gerade dies Gebiet war
jungfräulicher als viele dieser Berge, wo man schon zu Zeiten der alten
Römer und Kelten Gold gesucht hatte. Ein großes Wagnis. Die Schweizer
waren auch sehr schnell am Ende. Doch das Vertrauen anderer Anleger
hatte mittlerweile die Englische „The Evançon Gold Mining Company Ltd“
geweckt. 1902 setzten sie die Arbeiten der früheren Gesellschaft fort.
„SPERANZA“ die „HOFFNUNG“ nannten sie einen neuen, vom Fenillaz-Gang in
der Mitte des Berges, abzweigenden Stollenteil. Der weltweite Goldpreis
lag in jenen Jahren im Keller. 1910 schloss man die Minen „nachdem der
reiche Fenillazgang zu ungefähr zwei Dritteilen abgebaut worden war.“
Was bedeutete zu zwei Dritteln? Dann musste auf jeden Fall noch viel
Gold in diesen Quarzgängen stecken. Ich rechnete: Mehr als 400 kg Gold
mussten es sein. Mit diesen Gedanken und vielen anderen Träumen und
Hirngespinsten tasteten wir uns durch die Gänge. Wir schritten die Meter
ab. Dann standen wir am Punkt wo einst, im fernen Jahr 1908,
unglaubliche 68 kg reines Gold gefunden worden waren. In Gedanken
stellten wir uns die Menge vor, den Jubel der Bergarbeiter, die trotzdem
deswegen keinen Cent mehr Lohn bekamen. Und denen es schlussendlich auch
egal war, wie dieses Gold hierher gekommen war oder wie es entstanden
war.
Einige Milligramm Gold pro Tonne Gestein enthält durchschnittlich die
Erdkruste. Hier aber gab es eine zehn millionenfache Anreicherung. Mario
und Lino Pallaoro, die beiden Zwillinge tasteten mit dem Detektor Meter
um Meter ab.
„MEHR ALS VIERHUNDERT KILO REINES GOLD müssen hier auf engstem Raum
verborgen liegen.“ Das war sicher keine Suche nach der sprichwörtlichen
Stecknadel im Heuhaufen. Hier standen die Möglichkeiten so gut wie
nirgendwo in den Alpen. Dann summte das Gerät, zum ersten Mal.
Überraschend wies es auf das Geröll der Halde an der wir gerade standen.
Wie konnte das möglich sein? Bergarbeiter mussten diesen Stollenteil
einst heruntergesprengt und nie mehr ausgeräumt haben. Wie im Fieber
warfen wir das Steinwerk die steil abfallende Halde im Berginnern
hinunter. Nur die matt leuchtenden Stirnlampen erhellten etwas den Raum.
Zu wenig Licht für das Auge. Doch der Detektor wies unbeirrbar zum Gold.
Ich hielt ein erstes schweres, schon von Natur auskristallisiertes
Goldstück, zur Gänze mit Bergkristallen verwachsen in der Hand. Wir
starrten es an wie ein Weltwunder, auch wenn wir in der Fastdunkelheit
die wahre Pracht nicht erkennen konnten. Die Schatzkarte des Dr.
Reinhold hatte nicht gelogen. Selbst der stets schweigsame Federico
Morelli begann Gefühle zu zeigen und wurde gesprächiger.
„Im Leben ist alles relativ,“ presste Federico zugeknöpft hervor. Wäre
Gold so häufig wie Kieselstein, würden wir es liegen lassen. Aber dem
war nicht so. Die Speranza übertraf unsere Hoffnungen. Überall lag
plötzlich Gold um uns herum. Das wir nicht einmal mühsam aus dem Felsen
herausarbeiten mussten. Stück über Stück türmten wir auf. Kilos von
wunderbar geformten Bergkristallen warfen wir die Halde hinunter, die
wir sonst selbst in kleiner Größe immer von den Gipfeln der Alpen
herunterschleppten. Aber hier waren sie wertlos. Hier war Besseres zu
finden.
Fünfhundert Bergleute hatten hier für die englische Gesellschaft sieben
Zugangsstollen gebohrt. „Livelli“ nannten sie diese. Dazwischen hatten
sie die Felsen ausgehöhlt und die bis zwei Meter dicke Quarzader
abgebaut. 2.500 m lang ziehen sich heute noch die Gänge in das Innere
des Berges. Kurz flackerte hier während des Faschismus und der damit
ausgelösten Wirtschaftssanktionen der Bergbaubetrieb durch das
Unternehmen Giuseppe Rivetti auf. Dann kam alles wieder zum Stillstand.
Die Zwillinge Pallaoro trieben uns unermüdlich weiter. Die Batterien der
Lampen neigten sich dem Ende zu. Doch wir hatten Gold gefunden, viel
Gold sogar. Als wir für diesen Tag die Stollen verließen herrschte
draußen Dunkelheit. Die Menschen der Val d’Ayas sind freundliche und
herzliche Leute. Von einem Herren Squindo berichtete man uns, der in der
Speranza auf dem „livello 4“ 15 kg reines Gold gefunden hätte. Nirgendwo
liegen Lüge und Wahrheit so eng beieinander als beim Gold.
Am nächsten Tag waren wir wieder im Bergwerk. Schon vollkommen verdreckt
krochen wir dahin, aber das berührte uns kaum. Draußen war es heiß,
innen drin feuchtkühl. Ich schaffte es immer noch nicht mich in diesen
Gängen zu orientieren. Wir waren sicher nicht die einzigen in den
letzten Jahrzehnten, die hier an den großen Fund glaubten. Überall sahen
wir Spuren. Doch wer fand hier? Die Glücklichen halten solange ihr
Wissen geheim, bis das Glück zu Ende ist. Der Zahn der Zeit ließ langsam
die dicken Holzstämme, die den Berg abstützten, verrotten. Mit wie viel
menschlichem Schweiß wurden sie hier fest gekeilt! Aber es ist nur mehr
eine Frage der Zeit, wann die Galerien einstürzen würden.
Wir arbeiteten von Neuem weiter. Noch immer kam Gold wie ein nie enden
wollendes Füllhorn zum Vorschein. Immer wieder schnitten sich
Bergkristalle und Quarze in unsere Knie. Auch das Blut der zerschundenen
Hände beachteten wir nicht. Das Dunkel der Stollen ermattete und machte
unsicher. Die Stimmen der anderen, so nahe sie waren erreichten mich nur
dumpf.
„Was ist wenn der Berg plötzlich zusammenbrechen würde!“ Schon der
Gedanke machte Angst. Niemand würde uns finden. Irgendwo tropfte Wasser
herunter. Nicht viel. Zum Glück. Diese Stollen sind viel trockener als
die anderen dieser Gegend. Wie mag es den früheren Bergarbeitern hier
drinnen ergangen sein? Der Gestank von Schweiß, Krankheit und
Exkrementen! Das jahrelange Kriechen in den engen Stollen und Gängen,
teilweise nicht einmal einen halben Meter hoch. Das Leben ohne Licht.
Der Detektor verrät uns das Gold. Mineraloge Reinhold hatte doch Recht.
Wie er es beschrieben hat sahen wir es nun tatsächlich. Im Quarz an den
Randzonen zum Schiefer und den Kalken glänzte es hervor.
„Hat dieses Gold und diese Mineralien ein Langzeitgedächtnis vom Beginn
ihrer Entstehung bis zum heute?“ Dies kam mir plötzlich in den Sinn.
Georg Kandutsch, der Mineraloge, erklärte die Ereignisse wie vor dreißig
Millionen Jahren Afrika gegen Europa stieß und große Gesteinsschollen in
Dutzende Kilometer Tiefe presste. Es handelte sich dabei um alten
Meeresboden eines Urmeeres, um vulkanische Gesteine, dazu kamen noch
frühere Ablagerungen von Sanden, Korallen und Meerestieren. Überall
darin gebunden große Mengen an Wasser, welche aufgeheizt wurden und
ihrerseits aus den magmatischen Gesteinen das vorhandene Gold
herauslösten und es an bestimmten Stellen anreicherten. So lebendig kann
Geologie und die Geschichte der Erde sein.
Die beiden unzertrennlichen Zwillinge Pallaoro gerieten sich wie so oft
in die Haare. Nicht wegen des Goldes. Sie brüllten sich an und bewarfen
sich gegenseitig mit Steinen. Im nächsten Augenblick war wieder Ruhe,
als wäre nichts geschehen.
„Schau, es ist das gleiche, als wenn du dir mit dem Hammer auf den
Finger schlägst. Dann ärgerst du dich. Aber irgendwie musst du dich
wieder mit dir selbst anfreunden.“
Das eine einzige Ich in zwei Personen lernte ich allmählich verstehen.
Die bunte Truppe hatte sich mit ihren Charakteren schon längst
zusammengeschweißt. Ein schweres Stück Quarz kam zum Vorschein. Es
musste sicher einen halben Kilo reines Gold enthalten, schätzten wir. Es
war nicht das einzige. Wir hatten das Gold der Alpen gefunden, einer von
uns schätzte es auf fünf bis sechs Kilo. Die Schatzkarte hatte unsere
Erwartungen mehr als übertroffen.
„Gold is there where you find it!“ „Gold findest du dort, wo du es
suchst!“ „L’oro si trova dove lo cerchi!“
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